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Interview mit Ingrid Michaelson



Ingrid Michaelson kommt aus New York und schaffte ihren Durchbruch vor zwei Jahren mit ihren Songs, die in den Fernsehserien Grey's Anatomy oder One Tree Hill gespielt wurden. Wir haben sie nach ihrem Konzert im Zürcher Mascotte zum Interview getroffen.

hitparade.ch: Wie war die Show im Mascotte?
Ingrid Michaelson: Es war grossartig. Ein sehr ruhiges, reserviertes und respektvolles Publikum. Aber wenn es mal applaudiert, dann ist es laut und grandios.

hitparade.ch: Du bist gerade auf einer Europa-Tournee: Was ist der Unterschied zwischen einem europäischen und einem amerikanischen Publikum?
Ingrid Michaelson: Die Deutschen sind ähnlich wie die Amerikaner: Sie wollen Teil der Show sein, singen und toben mit. Die Schweizer sind ziemlich entspannt. Ich weiss aber dennoch, dass sie die Sache geniessen.

hitparade.ch: Du giltst als eine unkomplizierte Künstlerin, die das Publikum alleine mit der Ukulele und der Stimme begeistern kann. Inwiefern trifft dieses Image tatsächlich auf dich zu?
Ingrid Michaelson: Es ist schwierig, sich selbst zu beobachten und den Leuten zu sagen, was man von sich denkt. Ich versuche, einfach zu bleiben, mich selbst zu bleiben. Nach diesem Image trachte ich.

hitparade.ch: Du behauptest von dir, langweilig zu sein. Was bedeutet das und inwiefern ist es positiv oder negativ?
Ingrid Michaelson: Ich trinke nicht gern, ich gehe nicht gern aus. Ich mag es, zu Hause auf dem Sofa zu sitzen und Filme zu schauen. Das ist insofern positiv, als ich das mache, was ich mag. Ich kann einfach nicht gut mit den anderen mitgehen. Ich bin wie eine alte Dame. Vielleicht ist das für mein Umfeld negativ, vielleicht bin ich zu wenig amüsant für sie. Aber schlussendlich mache ich, was ich mag, und das heisst: früh nach Hause gehen und entspannen. Und darum mag ich es hier. Hier ist es friedlich.

hitparade.ch: Auch deine Eltern sind Künstler. War es von Anfang an klar, dass du auch diese Richtung einschlagen wirst oder liessen sie dich den Beruf völlig frei wählen?
Ingrid Michaelson: Ich wusste schon immer, dass ich etwas Künstlerisches tun will. Ich ging in die Schule, um etwas über Musiktheater und den Broadway zu lernen, aber dann zog es mich zur Musik. Das liegt mir besser. Aber es ist nicht das Umfeld, das mich zur Künstlerin gemacht hat: Mein Bruder hatte eine ähnliche Kindheit und wurde Mathematiklehrer. Aber weil meine Eltern Künstler waren, waren sie stets bereit, mich zu unterstützen, egal ob ich Schauspielerin, Mathematiklehrerin oder Sängern werden wollte. Das machte mich selbstbewusst und sicher, dass ich erfolgreich sein kann.

hitparade.ch: Du bezeichnest Judy Garland als eines deiner größten musikalischen Vorbilder. Bedauerlicherweise können wohl viele jüngere Leser mit diesem Namen nur noch wenig anfangen, darum bitten wir dich speziell für diese, weitere musikalische Vorbilder zu nennen…
Ingrid Michaelson: Es gibt einige Bands und Sänger, die ich mag: Coldplay, Fiona Apple, Regina Specter. Ich liebe interessante und abwechslungsreiche Popmusik. Ich mag grossartige Melodien, das ist der Grund, warum ich Judy Garland so liebe. Ihr sollt wissen, wer sie ist. Jeder soll wissen, wer sie ist. Sie spielte Dorothy in "Der Zauberer von Oz". Also: Ich mag schöne Stimmen und schöne Melodien.

hitparade.ch: Deine Entdeckung verdankst du - wie viele andere Künstler auch - der Plattform MySpace. Mittlerweile ist fast jeder Interpret dort vertreten, so dass es nicht unbedingt leichter wird, auf diesem Weg den Durchbruch zu schaffen. Wie siehst du das?
Ingrid Michaelson: Ich war bereits auf MySpace, als es gerade populär wurde. Das war vor ungefähr zweieinhalb Jahren, da waren viel weniger Künstler registriert. Und ich hatte das Glück, dass die richtige Person über mein Profil gestolpert ist und meine Musik mochte. Damals war das einfacher.

hitparade.ch: Beinahe 14 Millionen Menschen haben deine Seite angeklickt und du hast über 130'000 Freunde. Hast du noch immer Zeit, dich um dein Profil auf MySpace zu kümmern?
Ingrid Michaelson: Ich verbringe kaum mehr Zeit mit meinem Profil oder den Nachrichten. Ich mache das Blogg und damit hat es sich. Jetzt gibt es ja Twitter, damit hat man eine bessere Möglichkeit, zu den Leuten zu sprechen. Würde ich jede Nachricht auf MySpace beantworten, wäre ich den ganzen Tag damit beschäftigt. Vielleicht sollte ich das Profil deaktivieren, damit die Leute nicht meinen, sie könnten mit MySpace Kontakt mit mir aufnehmen.

hitparade.ch: Mit der Single "The Way I Am" konntest du auf beiden Seiten des Atlantiks Erfolge erzielen. Kam dieser Erfolg überraschend oder war die Resonanz im Vorfeld schon groß?
Ingrid Michaelson: Als ich diese Songs für das Girls-And-Boys-Album schrieb, wusste ich nicht, was mit ihnen passiert. Ich schrieb sie weil ich neue Songs aufnehmen wollte und auch musste. "The Way I am" ist ein kurzer Song, er dauert nur zwei Minuten und 15 Sekunden, er hat keine Bridge, es ist immer das gleiche Motiv. Ich hätte nie gedacht, dass das so gut kommt. Plötzlich läuft der Song im Radio - das hätte ich nie gedacht!

hitparade.ch: Dein Album heisst "Girls And Boys". Handeln die Texte von den Geschichten und den Problemen zwischen den beiden Geschlechtern oder lässt sich dieser Bogen nicht über das ganze Album spannen?
Ingrid Michaelson: Das eine ist Erfahrung, das andere sind Geschichten. Ich habe vor einigen Wochen ein neues Album aufgenommen, das komplett autobiographisch ist. Ich habe mich seit "Girls And Boys" entwickelt.

hitparade.ch: Dein Album ist in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz bereits erschienen und in Deutschland und Österreich auch schon in den Charts. Hoffen wir, dass es auch noch in die Schweizer Charts kommt. Welche Länder willst du noch erobern?
Ingrid Michaelson: Grossbritannien - das wäre sicher lustig. In drei Tagen spielen wir in London, wir haben dort einige Termine mit Labels. Ja, England, Schottland und Irland dürften die nächsten Schritte sein. Ich muss dies Schritt für Schritt machen, denn es ist harte Arbeit, für drei Wochen hierher zu kommen und zu spielen. Darum brauche ich jeweils danach eine Pause, bis ich wieder komme.

hitparade.ch: Warum habt ihr Deutschland ausgewählt?
Ingrid Michaelson: Deutschland hat uns ausgewählt. Universal Germany hat uns vor anderthalb Jahren kontaktiert, wir wollten zu diesem Zeitpunkt aber nichts machen, blieben aber in Kontakt. Als wir dann hierher kamen für die Tour mit Jason Mraz, dachten wir: Lasst uns nochmals darauf zurückkommen und Leute des Labels treffen. Es ist mir quasi in den Schoss gefallen.

hitparade.ch: Mitverantwortung, Mitreden zu dürfen und Entscheidungsbefugnis bei der Songauswahl für das Album - diese Kriterien sind wohl für jeden Künstler wichtig, gleichzeitig ist aber auch der Großteil bereit, zugunsten des Erfolges in diesem Bereich zurückzustecken. Wie sieht es da bei dir aus?
Ingrid Michaelson: Ich entscheide, was auf das Album kommt, da hat mir niemand etwas zu sagen. Also mache ich das Album zuerst, und wenn die Leute vom Label mitwirken wollen, können sie das. Ich kann durchaus auch auf andere Ideen und Meinungen eingehen, aber schlussendlich muss ich die Musik machen, die mir gefällt. Wenn jemand eine Idee hat, die mir gefällt, nehme ich sie gerne auf, aber nicht aus kommerziellen Gründen. Wahrheit kommt vor Kommerz.

hitparade.ch: Du engagierst dich bei zahlreichen Benefizveranstaltungen. Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
Ingrid Michaelson: Ich bin in einige Wohltätigkeiten für krebskranke Menschen involviert und habe auch schon eine Show für Kinderspitäler gemacht. Ich mag Spitäler, was auch meine Liebe zu "Grey's Anatomy" erklärt.

hitparade.ch: Wie sehen die weiteren Pläne aus?
Ingrid Michaelson: Nach dieser Tournee kehre ich in die USA zurück, um die Arbeiten am neusten Album zu beenden und um eine neue Website zu erstellen. Und neue T-Shirts - ich muss immer meine Finger im Spiel haben, wenn es um das Design geht. Ich kann nicht zurücklehnen und das die anderen machen lassen. Wenn es um Kreativität geht, muss ich ein Wörtchen mitzureden haben. Dann gehe ich mit meinem neuen Album wieder raus auf die Bühne von August bis Oktober, dann wieder nach Europa. Ich bin ziemlich besetzt bis Dezember.